Die AGRITECHNICA 2015 oder Precision Farming: Bauernschlau 4.0

Zum Titel: Immer in einem AGRITECHNICA Jahr berichtet die Nichtlandwirtschaftspresse verstärkt über neue Entwicklungen in unserer Branche und erfindet jedes Mal sehr „originelle“ Überschriften. Mein Schlagzeilenfavorit 2015 war „Precision Farming: Bauernschlau 4.0“!

Was ist uns auf der AGRITECHNICA im Bereich präziser Agronomie aufgefallen:

Drohnen, Drohnen, Drohnen

Nicht die aus dem Bienenstock oder die aus dem Krieg zum Erkunden und Töten, sondern solche, die mehr oder weniger automatisch über Felder und Wiesen fliegen und uns mit Bildern, Karten und anderen Informationen aus der Luft versorgen können.
Viele Aussteller hatten sich dieses (Mode)Themas angenommen, vom Smartphone am handgesteuertem Minihubschrauber bis zur vollautomatischen Version in Form eines kleinen Nurflüglers. Dabei reichen die Flugzeiten von 10 bis 45 min im Elektrobetrieb (Verbrennungsmotoren habe ich nicht gesehen) und die Flächenleistung je Flug von Aufsteigen und gucken (~100m²) bis max. 100ha.
Für mich als „Spielematz“ war es interessant zu sehen, wie die Flächenleistungen steigen und die Automatisierung der Flüge (Start, Flugroute, Höhe und Landeplatz) immer besser werden. Ebenso kommt die Windverträglichkeit in Bereiche (z.B. Nurflügler „Agridrone“ oder „eBee Ag“ bis 45 km/h), wo man sagen kann, selbst bei einem „Lüftchen“ wird mein Gerät nicht über alle Berge getragen. Es wird also langsam interessant, wenn es um die flugtechnische Basis geht.
Spannend für mich als Agronom war dann das Angebot an vielen Kamerasensoren die vom Normalbild (RGB) über Nahinfrarot (NIR) und Red edge (RE, Wellenlänge von ca. 680 bis 730 nm) bis zur Thermokartierung reichen. Das Sahnestück war dann ein kleiner, passiver 4 Kanal Multispektralsensor mit Beleuchtungsabgleich (ca. 150g), der dann schon qualifizierte Aussagen zu Blattflächenindex, Biomasse, N-Status, Stresszonen usw. zulassen sollte, wenn er das kann, was versprochen wurde. So kommen wir meinem Traum vom zukünftigen Pflanzenbau wieder ein kleines Stück näher: am Montag-, Mittwoch- und Freitagfrüh drückt der Agronom im Betrieb den Knopf „Drohnen los“ in seinem Pflanzenbauprogramm (PBP) und 2, 3 oder 4 Drohnen machen sich auf den Weg, fliegen automatisch alle Flächen ab und sammeln Daten dazu schicken 2, 3 oder 4 stationäre Feldstationen aktuelle Wetter- und Bodendaten, das Entwicklungsstadium des Bestandes, Blattfeuchte, Nahaufnahme usw. und das PBP gibt „Bescheid“ über den aktuellen Stand, liefert was, wann, in welchen Mengen und Intensitäten zu erledigen ist, berechnet Prognosen, Applikationskarten, Empfehlungen usw.

Probleme mit den Drohnen bleiben:
• Leistungsverbesserung und Preisreduzierung sind nötig
• Flugrecht in Deutschland (es gibt deutliche Einschränkungen für Drohnen und es soll sogar ein (Führer-) Flugschein dafür eingeführt werden)
• Vollautomatisches Fliegen ohne Sichtkontakt zumal höher als 100m ist auch zukünftig in Frage gestellt
• Noch ist viel zu viel Aufwand in der Betreuung und dem Datenmanagement notwendig
• Agronomisch qualifizierte Wertung der ermittelten Werte und Karten sind unumgänglich und bisher nicht ausreichend vorhanden
• Es fehlt auch das agronomisch fundierte Pflanzenbauprogramm

Mein Interesse jedenfalls wird größer und es „juckt mir schon in den Fingern“ eigene agronomische Erfahrungen zu sammeln oder auch die Drohnen im Rahmen von PiG zu nutzen (gern mit Betrieben gemeinsam).

Offene Cloudanwendungen überall (aber untereinander verstehen tun Sie sich trotzdem nicht).

Der Trend zu Cloudanwendungen ist ungebrochen, die Halle 15 war voll davon. Die meisten Anwendungen werben damit offen für andere Cloudanwendungen zu seien. Wenn man allerdings sich die Anwendungen näher betrachtet, sieht man das es mit der Offenheit doch nicht so weit ist. Alle Systeme helfen bei der Aufgabe Daten in das System einzupflegen, ein vollständiger Export der Daten in ein anderes System wird nicht unterstützt. Sobald man in einem System seine Daten eingegeben hat ist es nur schwierig möglich, diese in ein anderes System zu überführen. Bei Desktopanwendungen gibt es noch Möglichkeiten auf die Datenbankdateien direkt zuzugreifen, dies ist in der Cloud nicht möglich. Man ist gefangen in einem mehr oder weniger goldenen Käfig. Auch wenn Applikationen tatsächlich kooperieren sollten, ist es oft nötig z. B. für jede Anwendung einzeln die Schlaggrenzen einzulesen. Dies ist natürlich kein Spaß wenn man auch die jährlichen Änderungen in allen System nachführen soll. Hoffen kann man darauf, dass Datenaustauschplattformen wie von SAP und F4F oder der DKE in die Praxis ankommen werden. Und dann fehlen den Cloudanwendungen nur noch eine dem Homebanking adäquate Autorisierung nicht nur mit einem Passwort sowie eine Verschlüsselung, welche verhindert das die Cloudbetreiber die Daten ihrer Kunden lesen können und damit auch nicht z. B. an interessierte Behörden übergeben können. Was hat ein Kollege der SAP zu den Sicherheitsversprechen der Branche gesagt: Eines stand immer fest, so wie auch das Matterhorn fest steht: Schweizer Bankkonten sind sicher!

Sensoren um in den Boden zu schauen

Eine Silbermedaille der diesjährigen AGRITECHNICA ging an die Firma GEOPROSPECTORS für Ihren Topsoil Sensor. Dieser ist in der Lage dreidimensional die absolute Bodenleitfähigkeit zu bestimmen und damit z. B. Verdichtungszonen im Boden zu finden und daraufhin die Tiefensteuerung eines Tiefenlockeres zu steuern. Im Prinzip ist das Gerät ein EM38 Scanner der durch Algorithmen zum einen absolute Leitfähigkeitswerte bestimmt und andererseits die dritte Dimension online berechnet. Die Nützlichkeit von EM38 ist in der präzisen Agronomie anerkannt, die Kollegen von GEOPROSPECTORS haben ihre Erfahrungen aus der Rohstoffsuche in eine landwirtschaftliche Anwendung überführt. Was jetzt fehlt sind reale Testmessungen z. B. in Vergleich zu Penetrometermessungen sowie aufgegrabene Bodenprofile. Und nicht zu vergessen die agronomischen Algorithmen für allgemeine Einsatzzwecke in der Bodenbearbeitung, denn ein Preis größer 30.000,- € nur für die Tiefenlockerungssteuerung wird sich wirtschaftlich nicht rechnen. Trotzdem ein interessanter Ansatz, die Bedeutung der Bodenbearbeitung nimmt zu und damit ist diese prädestiniert als nächstes Einsatzgebiet für Sensoren.

Pflanzenschutzsensoren

Neben den bekannten Adaptionen von Pflanzensensoren (YARA N-Sensor, OptRX, ISARIA, Greenseeker usw.) für den differenzierten Pflanzenschutz auf Grundlage von Bestandesindizes war für uns besonders interessant ein neues System von Amazone „Amaspot“ zur teilflächenspezifischen Applikation von Totalherbiziden. Die Fluoreszenzsensoren GreenSense, angebracht am Spritzgestänge, scannen die zu spritzende Fläche vollständig ab. Je hochgetakteter (50Hz) Pulsweitendüse (aller 25cm) steuert ein Sensorfeld (im Fächer 4 Felder je Sensor) in Echtzeit Menge und Dauer der Spritzmittelapplikation. Damit ist es möglich, einzelne Unkräuter oder Unkrautnester bis zu einer Fahrgeschwindigkeit von 15-20km/h zu bekämpfen. Dies kann auch mit einer einheitlichen, vollflächigen Behandlung (kleinste Unkräuter in der Fläche, größere mit erhöhtem Aufwand, nur da wo sie auftreten) kombiniert werden. Die daraus resultierenden Reduzierungen, gerade auch bei Glyphosat, sind sicher ein gutes Argument bei der Darstellung eines umweltverträglichen Acker- und Pflanzenbaus.

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