Agritechnica 2019 – Nie wieder bücken!

Mein Favorit unter den Schlagzeilen der Nichtlandwirtschaftspresse zur diesjährigen Agritechnica kommt diesmal vom Spiegel: „Technikinnovationen im Landbau: Nie wieder bücken!“ als Verweis auf die ausgestellten Roboter zur Unkrautbekämpfung.

Abbildung 1:„Dino“ ein Unkrautroboter von Naïo Technologien (Frankreich – Toulouse).

Welche Entwicklungen vor allem im digitalen Bereich fanden wir wichtig?

Digitalisierung/Konnektivität

DataConnect

Ein wichtiger Kritikpunkt der am Markt verfügbaren Datenplattformen/Cloudlösungen wird jetzt Schritt für Schritt beseitigt. Mit DataConnect wird eine herstellerübergreifende und industrieoffene Cloud-to-Cloud Lösung etabliert. John Deere, Claas und CNH (CASE/New Holland) sind von den Landmaschinenherstellern dabei, fehlt nur AGCO (u.a. Fendt). Mit dieser Lösung lassen sich Daten, die in den jeweiligen Herstellerclouds weiterhin gespeichert bleiben in Echtzeit in das bevorzugte Datenportal wie z.B. 365FarmNet übertragen, die Türen des jeweiligen mehr oder weniger goldenen Käfigs öffnen sich. Offizieller Anwendungsstart ist der Sommer 2020.

Agrirouter

Eine schon länger am Markt befindlich Datenaustauschplattform (hier ohne John Deere aber mit Fendt) ist agrirouter. Hier geht es nicht um die Kommunikation unter Cloudlösungen, sondern zwischen Maschinen und Agrarsoftware. Die Liste der mitmachenden Firmen wächst ständig, man wird sehen ob und wie sich diese Idee/Produkt auf dem Markt durchsetzt.

NEVONEX, die (stille) Revolution von Bosch

Mit Bosch ist ein Anbieter auf dem Gebiet landwirtschaftlicher Hardware und Software „aufgetaucht“ der eine riesige Erfahrung auf dem Feld der Fahrzeugtechnik/Sensorik/Softwareentwicklung/Automatisierung besitzt. Dieses Know-how zeigt sich in der auf der Agritechnica gezeigten NEVONEX Lösung. Mein erster Gedanke “und schon wieder eine neue Plattform“ wich einem Staunen über die Weitsicht und den Möglichkeiten dieses Produkts. Bosch braucht für seine in Entwicklung befindlichen Sensoren einen Geräterechner auf dem jeweiligen Gerät (z.B. einer Spritze). Dieser fügt sich zum einen in ein ISOBUS System ein, kann z.B. zumindest rudimentär über ein ISOBUS Terminal konfiguriert werden und ist in der Lage Applikationsdaten an den Gerätejobrechner zu senden und zu empfangen. Weiterhin besitzt dieser Rechner eigene Kommunikationsschnittstellen auf der Basis 4G/WLAN um zum einen mit zusätzlichen Sensoren zu kommunizieren als auch über eine Bosch-Cloud Daten zu übertragen. Für Drittanbieter besteht die Möglichkeit eigene Applikationen auf dem Boschgeräterechner laufen zu lassen (sogenannte FEATURES), vergleichbar mit Apps für Android oder iOS. Zur unkomplizierten Entwicklung werden den Drittanbietern Entwicklungswerkzeuge zur Verfügung gestellt, Installation und Update sowie die Kommunikation erfolgt über die Bosch Cloud. Was heißt das praktisch? Ich kann direkt über die Bosch Cloud und dem Boschgeräterechner Daten von und zum Ausbringgerät bringen.
Was bedeutet das für den Markt? Der ISOBUS Standard war und ist für den Agrartechnikmarkt ein Segen, hat allerdings den Nachteil das wenn ich im Bereich Gerätesteuerung (z.B. Applikationsmengenanpassung abhängig von Sensorik) aktiv werden möchte immer ISOBUS Hardware/Kenntnisse/Entwickler/Firmen brauche. Problematisch ist die eingeschränkte Hardware (ein ISOBUS Jobrechner mit begrenzter Rechenkapazität aus dem Angebotsregal, Sonderlocken sind schwierig) und die nur begrenzt verfügbaren Entwicklungskapazitäten. Dies macht die Einstiegshürde für neue Firmen sehr hoch, nebenbei ist die Entwicklung von ISOBUS Software für Entwickler „nicht sexy“, andere Aufgaben/Jobs sind attraktiver.
Durch NEVONEX sinkt diese Einstiegsschwelle gewaltig, die Komplexität des ISOBUS fällt für die Programmierer weg (darum kümmert sich Bosch), App- Entwicklung ist das täglich Brot von Heerscharen von IT Fachleuten.
Die Möglichkeiten und Chancen von Neueinsteigern und/oder kleinen Herstellern erhöht sich enorm.
Spannend finde ich wie sich das NEVONEX „Abenteuer“ für Bosch weiterentwickelt, eine gute Basis haben sie geschaffen!

Die ernüchterte Diskussion über den Digitalisierungshype oder „Wer zahlt, bestimmt“

Passend zur Agritechnica hat sich Guido Höner in einem Artikel in der top agrar 11/2019 S.3 „Wer zahlt, bestimmt“ über die Abhängigkeiten der Landwirte von den großen Technikfirmen geäußert. Unter anderem geht der Autor auf das Thema Digitalisierung ein:

… Dass die Kunden nach wie vor Macht haben, zeigt die aktuelle ernüchterte Diskussion über den Digitalisierungshype: Nicht alles, was machbar ist, rechnet sich auch. Die Kunden haben durch ihr Kaufverhalten abgestimmt und sich nur für wirklich praxisgerechte Lösungen entschieden – also für Lenksysteme, GPS-Schaltungen (Teilbreitenschaltung) oder Variable Rate. Aber sie bewirtschaften eben nicht ihren kompletten Betrieb über eine zentrale Datenplattform. Und das mussten auch die ganz Großen akzeptieren. Wie gesagt, wer zahlt, bestimmt. …

Wenn man sich mit den Mitarbeitern von Anbietern solcher zentralen Datenplattformen/Cloudlösungen vertraulich unterhält, bekommt man die Information das sich die Entwicklung/Betrieb dieser Lösungen betriebswirtschaftlich Nichteinmal ansatzweise rechnet. Ohne Förderung über Forschungs- und Entwicklungsprojekte bzw. Quersubventionierung durch andere Unternehmensteile wären sie nicht überlebensfähig. Wie hat vor einigen Jahren ein Landwirt auf einer Digitalisierungskonferenz gesagt: „Ich steige erst in solche Lösungen ein, wenn ich weiß, wer diesen Wettbewerb gewinnen wird“. Es bleibt spannend!

Gewinner Variable Rate, Applikationskarte auf dem Vormarsch

Eine praxisgerechte Lösung zur Anwendung von Digitalisierungslösungen bei den Landwirten, und dies ist genauso meine Erfahrung, ist „Variable Rate“ als Schnittstelle zum agronomischen Precision Farming. Diese hat sich in den letzten Jahren quantitativ und qualitativ entwickelt.

Über Plattformen/Anbieter kann sich der Kunde agronomisch fundierte Applikationskarten erstellen (z.B. für den Pflanzenschutz von XARVIO von BASF oder von der EXAgT 😉 für die Andüngung im Raps oder Getreide) und diese dann abarbeiten. Daten werden nur für das aktuelle Jahr benötigt, es entsteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Ein Anbieterwechsel ist somit ohne Nachteile möglich.

EigenbauPF.exagt.de

Wenn man in die einschlägige Landtechnikpresse schaut ist man sehr erstaunt in welcher Qualität praktische Eigenbaulösungen in den Werkstätten der Landwirte entstehen. Auch im Bereich des Precision Farmings sind Eigenbaulösungen möglich! Grundlage dafür sind kostenlose Daten und Software. Seit unserem Newsletter vom Februar 2019 schreibe ich regelmäßig über die Nutzung solcher Daten mit kostenloser Software bis hin zur Applikationskarte auf dem Schlepper. Diese Beiträge werde ich schrittweise zusammengefasst und korrigiert auf unserer neuen Webseite „https://EigenbauPF.exagt.de“ veröffentlichen und um neue Themen erweitern.

Fragen Sie uns, wir freuen uns auf Ihre Aufgaben! Unsere Spezialität sind betriebsspezifische Lösungen, wir schätzen Sie und Ihre Herausforderungen =;-).

Unsere Kontaktdaten sind:

exagt@exagt.de oder persönlich:

arnim.grabo@exagt.de
+49 (0) 176 72588814, +49 (0) 34324 269737

andreas.schmidt@exagt.de
+49 (0) 173 352 8960, +49 (0) 34324 269739

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